Der gemietete Bus brachte uns vom Flughafen nach Krakau. Nach einer eineinhalb stündigen Fahrt erreichten wir Krakau und die symbolträchtige Reise begann direkt an einem historischen Ort. Wir stiegen am Umschlagplatz des ehemaligen Ghettos, den wir bereits aus dem Film Schindler‘s Liste kannten, aus. Dort wurden die Krakauer Juden in arbeitsfähig und arbeitsunfähig, also Tod zu späterer Zeit und sofortig todgeweiht, eingeteilt. Von dort waren es noch einige Fußminuten bis zur ehemaligen Fabrik, unserem ersten Programmpunkt.
Wir erwarteten ein Gebäude wie im Film gezeigt, doch es war als solches kaum zu erkennen. Wir besuchten das ehemalige Verwaltungsgebäude, in der es eine Ausstellung unter der Überschrift „Krakau - die Okkupationszeit 1939-1945“ zu sehen gab. Nach einigen weiteren Komplikationen startete unsere Führung, etwas verspätet, sodass wir leider nicht genug Zeit hatten, die Exponate ausgiebig zu betrachten und zu lesen. Der Großteil erwartete nicht einmal eine Ausstellung, sondern einfach die Deutsche Emailwaren Fabrik von Oskar Schindler. Zunächst etwas enttäuscht, stellten wir im Nachhinein fest, dass es eine sehr durchdachte und symbolträchtige Ausstellung war. Z.B. Kacheln mit Hakenkreuzen, auf denen die Menschen laufen und so die Nazi-Ideologie mit Füßen treten, schwingender Boden als Symbol für die Unsicherheit, die mit der Neu-Besatzung durch die Sowjetunion einherging.
In der Führung wurde umfassend auf das Leben in Krakau und im Ghetto eingegangen. Die Strafen für Widerständler reichten von Auspeitschung bis Erhängen anderer Bürger anstelle der „Täter“. Die Nazis verbreiteten Angst und Schrecken, um Aufstände zu unterdrücken, luden aber gleichzeitig zum Eintritt in die „deutsche Gemeinschaft“ ein, was ein ziemliches Paradoxon darstellt und Teil der Propaganda ist, die ebenfalls dargestellt wird. Die Juden bekamen immer mehr Einschränkungen, angefangen beim Verbot, die Straßenbahn zu nutzen, bis zur Umsiedlung in das Ghetto. Der Umzug wurde ihnen jedoch als positiv verkauft, sodass sie alle ihre Wertsachen mitnahmen. Die Nazis nutzten bereits bestehende Wohnungen, die zuvor von 3.000 Menschen bewohnt wurden, nun als Unterkunft für 20.000 Juden, sie lebten auf engstem Raum. Die Decke der Ausstellung, optisch angelehnt an einen Pflasterboden, zeigte das Gefühl, das die Juden im Ghetto erlebten: lebendig begraben. Der einzige Ausweg war die Arbeit, egal ob in Schindlers Fabrik oder die Aussiedlung in das Arbeitslager Plaszow, bis das Ghetto liquidiert wurde und alle Juden endgültig in Lager kamen.
In der Ausstellung ging es aber auch um Oskar Schindler selbst: Wir besichtigten sein Büro und das seines jüdischen Buchhalters Izaak Stern und einen Zylinder, in dem die Namen aller 1100 Juden stehen, die Oskar Schindler rettete. Am Ende fanden sich auch ihre Bilder an der Wand, die Namen bekamen Gesichter. Von 3000 überlebenden Krakauer Juden verdankte fast die Hälfte ihr Leben Oskar Schindler und Izaak Stern.
Trotz anderer Erwartungen war dieser Besuch ein interessanter Einblick, auch wenn die Zeit durch äußere Umstände leider nicht ausreichte, um alles sehen zu können.
Am zweiten Tag ging es weiter mit dem Highlight - vielleicht sollte man aus gegebenem Anlass eher Lowlight sagen – der Tour. Um 8 Uhr fuhren wir mit dem Bus nach Auschwitz.
Genauer genommen nach Auschwitz 1 und 2, denn das Lager teilte sich in 3 verschiedene Komplexe. Das Stammlager Auschwitz, das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau (Auschwitz 2) und das Arbeitslager Auschwitz-Monowitz (Auschwitz 3) der IG Farben.
Wir starteten in Auschwitz 1, wo wir durch die Wohn- und Todesblocks geführt wurden. Alle Gebäude wurden von den Gefangenen errichtet, selbst die „Entsorgung“ und Verbrennung der vergasten Opfer wurde von einem Sonderkommando der Häftlinge übernommen. Der Akt der Verbrennung hatte neben dem praktischen Zweck auch einen symbolischen Wert, denn diese Praxis ist im Judentum verboten. Die Erniedrigung war für das Sonderkommando und die anderen Häftlinge also doppelt so hoch.
Da der Befehl Himmlers zur Verbrennung erst kam, als schon viele tausende Menschen ermordet worden waren, mussten auch Leichen wieder ausgegraben werden, was ebenfalls ein Verbot im Judentum darstellt.
Das Erschreckende war jedoch eher der Anblick der Lebensbedingungen, diese waren unmenschlich. Aber genau das waren die Juden ja für die Nazis: Untermenschen. Mit Glück durfte man zweimal am Tag zur Toilette, es gab Kaffeeersatz als Frühstück, Suppe mit vergammelter Einlage zum Mittag und Brot mit Sägemehl zu Abend, gerademal 200 kcal, ein Zehntel des normalen Bedarfs. Das Ziel war der Tod durch Arbeit, wer nicht mehr arbeiten konnte, wurde direkt mit Cyklon B, dem Gas, vernichtet. Neben Lagerkommandant Rudolf Höß, der mit seiner Frau und seinen 5 Kindern in unmittelbarer Nähe zum Stammlager wohnte, trieb auch der Lager“arzt“ Josef Mengele sein Unwesen. Er führte medizinische Experimente an Kindern durch, die sie in Unmengen umbrachten. Denn die Experimente dienten der Erforschung von Bio- und Vernichtungswaffen, nicht etwa einer besseren medizinischen Versorgung.
Der gnädigste Tod war eigentlich der Todesschuss, dieser war kurz und schmerzlos, nicht wie der Überlebenskampf in der Gaskammer, die als Duschräume getarnt war. Der Besuch der Todesblocks und der Exekutionsmauer traf, noch bedrückender war das Gefühl jedoch im Krematorium und der Gaskammer. Die vorher gesehene Nachbildung der Szenen ließ sich dort übertragen, ein schreckliches Bild spielte sich im Kopf ab.
Wie es der Zufall so wollte, begann es kurz vor dem Eintritt ins Krematorium zu schneien und man erinnerte sich sofort an den Ascheregen, den die Krematorien einst ausstießen und es wurde uns schauerlich bewusst, dass wir gerade auf Menschenasche laufen.
Als wir in Birkenau ankamen, wurde der Schneefall immer stärker, passend zu der größeren Menge an ermordeten Menschen, symbolischer hätte es wohl kaum sein können.
Das riesige Gelände Birkenaus machte einem das Ausmaß des systematischen Massenmordes an Polen, Juden, Kriegsgefangenen und Roma in schockierender Klarheit deutlich. Insgesamt starben allein in Auschwitz ca. 1,5 Millionen Menschen, zuvor vegetierten sie nur unter schrecklichem Leid vor sich hin. Das Wohnen in Birkenau war noch schlimmer, Toiletten gab es nur draußen, allerdings durften die Baracken nur zur Arbeit verlassen werden, die Toilette war also das eigene „Bett“.
Die schiere Masse des Leids ist für uns noch immer nicht in Worte zu fassen, hier sagen Bilder wohl mehr als tausend Worte.
Das Konzentrationslager überlebten nur 230.000 Menschen. Diese Zahl scheint allein groß, im Verhältnis zu den Toten ist sie jedoch sehr gering. Es ist für uns alle noch immer unvorstellbar, dass die Masse von 1,5 Millionen Menschen an diesem Ort, auf deren Asche wir mit eigenen Füßen gelaufen sind, umkamen. Es ist nur fühlbar, jedoch nicht zu beschreiben.
Am nächsten Tag, dem 74. Jahrestag der Befreiung des Lagers durch die Rote Armee, erlangten wir durch eine ganztägige Stadtführung viele Einblicke in die Geschichte Polens und Krakaus, die uns durch eine sehr nette und humorvolle Stadtführerin näher gebracht wurde.
Unser Hostel liegt im Stadtteil Kazimierz, wo sich auch das Judenviertel befindet. Wir erfuhren, dass der polnische König Kasimir II. Bereits im 14. Jahrhundert einen Erlass einführte, der ein harmonisches Miteinander der Religionen garantierte. Es gab nie religiöse Kriege in Polen, erst als die Nazis kamen, wurde die Harmonie zerstört und der Hass gegen die Juden geschürt.
Wir besuchten außerdem zwei Synagogen, eine orthodoxe und eine liberale/progressive. Es gibt im Judentum verschiedene Strömungen von streng orthodox, wo Frauen und Männer strikt getrennt und die Männer privilegiert werden, bis zu progressiv, wo Männer und Frauen gleichberechtigt sind. Die äußerlich schlichten Synagogen erwiesen sich von innen als prunkvoll und künstlerisch ausgestaltet. Im Gegensatz zu christlichen Kirchen dürfen jedoch keine Menschen abgebildet werden, wodurch die Motive oft symbolisch waren.
Polen ist jedoch zum Großteil katholisch, sodass es allein in Krakau 150 Kirchen verteilt auf 18 Stadtteile gibt. Davon besichtigten wir zwei, die Kirche des Wawelschlosses, auch Hofkapelle der Könige, sowie die Marien Basilika am Krakauer Marktplatz. Das Schloss diente auch als Residenz des Chefs des Generalgouvernements Polen Hans Frank
In der Kirche im Wawelschloss liegen die Leichname aller polnischen Könige, auch wenn diese teilweise nicht ganz vollständig im Schloss ankamen. Einigen Königen fehlt beispielsweise ein Bein oder Arm, von einem blieb sogar nur der Kopf übrig. Leider durfte man nicht fotografieren, Motive hätte es nämlich genug gegeben. Beide Kirchen waren sehr prunkvoll und aufwendig gestaltet, besonders der Altarschrank der Marien Basilika hat es in sich. Wer den Altar des Schleswiger Doms kennt, hat schon einiges gesehen, der Krakauer Altar hingegen ist noch größer und beherbergt riesige und winzige Figuren in Farbe und mit Gold und Silber, die Details sind liebevoll herausgearbeitet.
Auch als Nicht-Gläubiger sind diese Kirchen einen Besuch wert, denn die Gestaltung ist wirklich prunkvoll und beeindruckend.
Des Weiteren zeigen beide Kirchen den schieren Reichtum des mittelalterlichen Polens, das mit seinem Salz so gut wie alles kaufen konnte.
Nach der Führung waren wir alle ziemlich erledigt, haben aber viel erfahren und uns wurde noch klarer, wie abartig und widersprüchlich die Naziherrschaft zur Geschichte Polens war.
Montag sollte es wieder nach Hause gehen, doch bevor wir abflogen, besuchten wir noch schliddernder Weise das Gelände des ehemaligen Arbeitslagers Plaszow, das auch im Film Schindler‘s Liste eine Rolle spielt, als solches aber nicht mehr zu erkennen ist. Das letzte erhaltene Gebäude ist eine Villa, die als Gefängnis diente und im Film als Wohnhaus des Lagerkommandanten Amon Göth dargestellt wird. Aufgrund des starken Schneeregens und der miserablen Bodenverhältnisse haben sich aber nur einige wenige die Villa angesehen, der Rest war auf der Flucht vor dem Wetter.
Wieder im Bus ging es dann zum Flughafen und wir machten uns auf den Heimweg.
Pünktlich um 20:15 erreichten wir Neumünster und die Reise war vorbei. Was bleibt, sind Eindrücke, die einem kein Geschichtsbuch oder Film so eindrucksvoll vermitteln kann und die Sicherheit, dass die Geschehnisse des Holocaust auch in 200 Jahren nicht vergessen werden dürfen. Menschen, die behaupten es sei gut und man brauche als die nachfolgende Generation nicht mehr der Opfer gedenken sind aufgefordert, sich in Auschwitz und Birkenau umzusehen! Die Taten der Nazis sind abartig und müssen immer im Gedächtnis bleiben, um die Wiederholung eines solchen Massenmords zu verhindern.
Die Toten von Auschwitz und allen anderen Konzentrationslagern dürfen niemals vergessen werden und werden als Mahnmal der menschlichen Grausamkeit nie vollständig sterben!
von Lea Hinz, 10. Jahrgang