Am Donnerstag, den 19. Mai sollte die diesjährige Krakaufahrt in Neumünster starten. Üblicherweise findet diese Fahrt Ende Januar statt. Da Corona dies jedoch unmöglich gemacht hat, wurde die Fahrt verschoben und das Wetter war dementsprechend untypisch gut.
Die 10. und 11. Klasse traf sich um 21 Uhr, um gemeinsam mit dem Reisebus in Richtung Krakau zu starten. Da die Fahrt letztendlich knapp über 15 Stunden dauern sollte, waren alle nach Ankunft um etwa 12 Uhr merklich geschafft. Nachdem wir unsere Betten im Hostel bezogen haben, hatten wir die Möglichkeit, die Stadt Krakau ein wenig zu erkunden und etwas zu essen. Im Anschluss war geplant, sich das Museum in der Fabrik Oskar Schindlers anzusehen. Auf dem Weg dorthin sind wir durch das alte jüdische Viertel gegangen, in dem vor allem der Platz der Ghettohelden hervorstach. Dort sind in gleichen Abständen Stühle platziert, die für die Selektion der Krakauer Juden stehen. An dieser Stelle wurden die Juden nämlich nach arbeitsfähig und arbeitsunfähig sortiert. Dies kennt man auch bereits aus dem berühmten Film von Steven Spielberg „Schindlers Liste“.
Ein wenig Später kamen wir an der Fabrik an und wurden durch das Museum geführt. Dieses thematisierte, wider Erwarten, vor allem die Krakauer Okkupation durch die Deutschen und nicht die Thematik rund um Oskar Schindler selbst, die nur einen Teil ausmachte. Interessant waren die verschiedenen, ausgestellten Flugschriften des Nazi-Regimes in der Zeit von 1939-1945, die originale Europakarte Schindlers in seinem Büro sowie besonders genaue Szenerien, wie eine Straßenbahn mit Verbotsschildern für Juden oder eine Judenwohnung mit versteckten Waffen.
Den Abend danach konnte man frei gestalten und dadurch, dass wir sommerliche Temperaturen hatten, war das Bummeln durch die Stadt sehr angenehm. Zusätzlich fiel hier auch eine äußerst angenehme Atmosphäre auf, da viele idyllische und vor allem volle Restaurants, Bars und Cafés zu finden waren. Generell war selbst um 21:30 Uhr auf den Straßen noch viel los.
Am nächsten Tag fand der ergreifendste Teil und auch Kern der Fahrt statt. Es ging zum KZ Ausschwitz etwa 50 Kilometer von Krakau entfernt. Das KZ Auschwitz ist in drei verschiedene Teile, Auschwitz 1 Stammlager, Auschwitz 2 Birkenau und Auschwitz 3 Monowitz geteilt. Am Vormittag haben wir das Stammlager besucht und den Nachmittag haben wir dem Lager Auschwitz Birkenau gewidmet. Als wir das Stammlager betreten wollten, fielen die großen Sicherheitsmaßnahmen auf. Neben Sicherheitspersonal gibt es auch Metalldetektoren, um zu überprüfen, ob unerlaubte Gegenstände mitgenommen werden und es wird auch darauf geachtet, dass der Einlass kontrolliert, nur über einen Weg möglich ist. Später wurde dies damit begründet, dass darauf geachtet werden muss, dass es keine Beweisvernichtung gibt, um die Gedenkstätte bestmöglich zu erhalten. Denn tatsächlich ist das berühmte „Arbeit macht frei“ Schild am Eingang des Lagers nur eine Kopie, da das Original gestohlen wurde und seitdem verschollen ist. Diese Tatsache änderte jedoch keines Wegs den Effekt, den das Passieren dieses Eingangs bewirkte. An dieser Stelle habe ich, höchstwahrscheinlich auch alle anderen, zum ersten Mal ein beklemmendes Gefühl gespürt. Es wurde deutlich, wo man sich befunden hat. Dieses Gefühl wurde nicht nur dadurch ausgelöst, dass man sich nun wirklich in einem KZ befand. Zusätzlich ist die Aussage, dass „die Arbeit frei machen würde“, wenn sie Millionen von Juden und anderen Häftlingen das Leben gekostet hat, zynisch.
Generell führte uns unser Tourguide durch die vielen Barracken, die verschiedene Aspekte des KZs genauer erklärt haben. Darunter waren zum Beispiel ein Wohn- und der Todesblocks. Viele verschiedene Ausstellungsstücke, die dort ausgestellt waren, lösten Gänsehaut aus. In ein paar Häusern waren Bilder von Häftlingen an der Wand zu sehen. Außerdem waren unter den Porträts auch Ankunft und Sterbedatum der Häftlinge zu sehen. Es war erschreckend, dass die wenigsten Häftlinge mehr als 6 Monate lebten, die meisten sogar nur etwa 3 und bei einem Einzelfall lagen Ankunft- und Sterbedatum nur sieben Tage auseinander. Dies beweist, wie schrecklich und grausam die Lebensbedingungen waren. Diese wurden im selben Haus gezeigt. Die Toiletten und die Schlafplätze warfen die Frage auf, ob Menschen und Tiere dort lebten. Noch problematischer war allerdings die Ernährungs- und Arbeitssituation. Die Häftlinge haben jeden Tag für viele Stunden Schwerstarbeit geleistet und hätten daher etwa 3000-4000 Kalorien jeden Tag essen müssen. Da es allerdings morgens nur Brot und ein wenig Malzkaffee und mittags und abends höchstens ein dreiviertel Liter dünne Suppe zu essen gab, wurden diese Kalorien nicht erreicht, was schnell zu einem Verhungern der Häftlinge führte.
Andere Blocks zeigten auch persönliche Gegenstände der Häftlinge. Darunter war eine Sammlung mit Prothesen, Schuhen und Handschuhen. Besonders schlimm war zum einen, dass diese echt waren und zum anderen die unglaublichen Mengen, dieser persönlichen Gegenstände.
Dann wurde uns auch die bekannte schwarze Mauer gezeigt, an der viele Häftlinge mit einem Kleinkalibergewehr hingerichtet wurden. Später wurden Häftlinge auf Grund der hohen Anzahl vergast und nicht mehr erschossen. Eine Gaskammer konnte man betrachten und es schockierte sehr, dass direkt daneben ein Krematorium zu finden war. Es wurde uns auch ein sehr großer Galgen gezeigt, an dem mehrere Häftlinge gleichzeitig ermordet und zur Schau gestellt wurden.
Abschließend kann zum Stammlager gesagt werde, dass dieser Ort einem Gefängnis auch in der Hinsicht sehr ähnlich war, dass viel Stacheldraht, viele Wachposten und hohe Mauern ein Flüchten so gut wie unmöglich machten.
Mit gedrückter Stimmung wurde das Stammlager verlassen und mit dem Bus sind wir zum zweiten Lager „Auschwitz Birkenau“ gefahren und haben dort unseren Besuch fortgesetzt. Dieser Teil sollte noch schrecklich eindrucksvoller werden als der erste.
Bereits von weitem konnte man die Rampe sehen, die wohl als Haupterkennungsmerkmal Auschwitz‘ betrachtet werden kann. Zu dem Zeitpunkt, als man sich dann innerhalb des Lagers auf den Schienen befand, wurde klar, dass sich alleine deswegen die lange Reise gelohnt hatte. Jeder weiß, wie gravierend der Holocaust und darunter vor allem das Vernichtungslager Auschwitz war, jedoch ist es ein ganz anderes Gefühl den Ort des größten Völkermords der Geschichte hautnah zu erleben. Links und rechts neben den Bahnschienen waren viele längliche Barracken und gerade aus konnte man ein Denkmal betrachten, welches den Millionen Opfern gewidmet wurde. Es soll einen „Aufschrei der Verzweiflung ‘‘ darstellen und „die Menschheit mahnen“. Neben dieser Gedenkstätte konnten gesprengte, zerstörte Gaskammern und Krematorien betrachtet werden, die die Nazis versuchten, zu vernichten, um der Roten Armee möglichst wenig Beweismaterial zu hinterlassen, als diese Auschwitz befreite. Die Ruinen sind allerdings geblieben. Später hat uns die Tourguide durch die Barracken geführt, um die unmenschlichen Lebensbedingungen in Auschwitz besser erklären zu können. Auf dem Weg dorthin sind wir an kleinen Teichen vorbeigekommen, die mehr als das waren. Uns wurde nämlich mitgeteilt, dass die Asche, die durch das Verbrennen der Leichen entstand, teilweise auf den Gründen dieser Teiche liegt. Wir alle waren perplex.
Die Barracken waren noch schlimmer, als ich eigentlich angenommen habe. Es standen unglaublich viele davon auf dem Gelände und jede von ihnen war für bis zu 1000 Häftlinge konzipiert und die Pritschen waren daher sehr eng gestapelt. Allein diese Unterbringung war menschenverachtend. Menschenverachtend war auch die Wasserversorgung, denn obwohl ein langes „Wasserbecken“ zu finden war, gab es eine solche Wasserversorgung praktisch nicht. Nur in seltenen Fällen war Wasser vorhanden.
Aber nicht nur Genanntes spricht für unmenschliche Lebensbedingungen. Die KZ-Lager-Ärzte Clauberg und Mengele sind nur zwei Beispiele für das Ausführen von Menschenexperimenten, die in den allermeisten Fällen den Patienten gequält und getötet haben.
Danach war die Tour beendet. Wir sind mit dem Bus zurück nach Krakau gefahren und der Abend war offen für individuelle Gestaltung. Man hat sich wieder an die Weichsel gesetzt und irgendetwas essen können. Interessant hierbei ist, dass es viele kleine Läden für den täglichen Bedarf gibt, die ihre Produkte für sehr wenig Geld verkaufen. Die Preise sind deutlich geringer als die Preise in Deutschland. Deswegen konnte man hier öfter mal einkaufen.
Der letzte Tag, Sonntag, sollte genutzt werden, um eine Stadttour durch Krakau selbst zu machen. Meine Erwartung, dass diese Tour langweilig und zäh wird, wurde schnell widerlegt. Zuerst sind wie durch das jüdische Viertel gegangen, wo unsere sympathische und nette Stadtführerin Hintergrundinformationen zu den Juden gegeben hat, die zu Kriegszeiten in Krakau wohnten. Diese wurden beispielsweise nämlich in Ghettos von der restlichen Bevölkerung abgesondert. Danach haben wir uns eine Synagoge angesehen und auch den dazugehörigen Friedhof. Jüdische Friedhöfe haben viele Besonderheiten, beispielsweise werden keine Blumen oder ähnliches um die Gräber gelegt. Stattdessen werden Steine auf die Gräber gelegt, da diese nicht vergänglich sind.
Hinterher ging es auf die Burg Wawel, die auch ein UNESCO-Weltkulturerbe ist. Hier hat Hans Frank, Rechtsanwalt Adolf Hitlers und Generalgouverneur von Krakau, während der Besetzung Polens, gewohnt. Außerdem befindet sich neben dem Schloss die Wawel Kathedrale, die wir auch besucht haben. Auffällig ist bei dieser Kathedrale, dass diese sehr majestätisch und prunkvoll ist. Als Highlight konnten wir auch noch die große Glocke betrachten, die oben im Kirchenturm hing.
Nachdem wir diese Kirche besucht hatten, gingen wir ein Stück weiter und besuchten die Jagiellonen-Universität. Diese Universität ist sehr besonders, da sie zu den ältesten Universitäten Europas gehört und der weltbekannte Astronom Nikolaus Kopernikus dort studierte.
Zuletzt gingen wir noch über einen mit Leben gefüllten Platz, um uns eine zweite Kathedrale anzusehen. Diese Kathedrale hatte die Besonderheit, dass zu jeder vollen Stunde ein kleines Fenster im Turm aufgemacht wurde und eine Trompete eine kleine Musik spielt, die über den ganzen Platz zu hören ist. Die Kirche selbst war, wie die erste Kathedrale auch, sehr prunkvoll. Des Weiteren hatte diese Kirche einen aus Stein gehauenen, gekreuzigten Jesus, der von dem Bildhauer Veit Stoß fertiggestellt wurde. Die Besonderheit hierbei ist die anatomische Genauigkeit, mit der Stoß Jesus aus Stein nachgebildet hat. Die Kirche war der letzte Stopp der Krakau-Stadttour und der letzte Abend vor der Heimreise konnte nochmal individuell genutzt werden.
Am nächsten Tag, Montag, sollte es wieder Richtung Neumünster gehen. Nachdem gefrühstückt wurde, haben wir einen Bus-Stopp beim ehemaligen Arbeitslager Plaszow gemacht, das wir aus dem Film „Schindlers Liste“ nur zu gut kannten. Das ehemalige KZ ist heute eine Wiese, bis auf die Villa des Lagerkommandanten Amon Göth und das „graue Haus“ der SS-Mannschaften ist nur noch ein Denkmal zu finden. Danach wurde dann wirklich die Heimreise angetreten, die erneut etwa 14 Stunden gedauert hat.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Fahrt nach Krakau sehr wichtig war, auch wenn die Fahrt so lange gedauert hat. Auch wenn die Stadt Krakau nicht der Hauptgrund war, weshalb diese Fahrt stattgefunden hat, muss gesagt werden, dass Krakau eine unerwartet schöne Stadt ist und sich eine Reise fast sogar ohne die Auschwitz-Exkursion lohnt. Natürlich ist der Auschwitz-Ausflug letztendlich aber der Hauptgrund für die Exkursion.
Es ist schwierig, sich die Ausmaße des Holocausts vorzustellen, ohne sich selbst ein Bild davon gemacht zu haben. Daher rate ich jedem, sofern sich die Möglichkeit ergibt, das KZ Auschwitz zu besuchen. Der dort geschehene Völkermord darf niemals vergessen werden und muss als Lehre dienen, dass der Mensch zu Grausamen fähig ist.
Bericht von Max Reuter